| Vor mir auf dem Tisch ein Krug voller Bier
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| Eine weiße Mütze von Schaum darauf
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| So hab ich es gerne, so sitz ich oft hier
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| Und räume in meinen Gedanken auf
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| Und während ich zusehe, wie sich das Licht
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| In tausend funkelnden Perlen bricht
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| Denn denk ich an alles und denke an nichts
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| An gestern und Hopfen, an morgen und Malz
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| An meine Zeche beim jüngsten Gericht
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| An Revolutionen und Griebenschmalz
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| Dann kommt mir die Frage in den Sinn
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| Weshalb ich wohl noch am Leben bin
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| Es kracht im Gebälk rings um mich her
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| In Kindergärten, und in Kirchen sogar
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| Und wenn ich verschont blieb, leit ichs daraus her
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| Das ich meistenteils in der Kneipe war
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| Das heißt: Hier bin ich sicher, draußen brennts allenthalben
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| Daraufhin bestell ich mir noch einen Halben
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| Platzte jetzt Charon zur Kneipentür rein
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| Mitten in solche Gemütlichkeit
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| Setzte sich zu mir im Lampenschein
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| Gäb mir zu verstehn: Jetzt ist’s an der Zeit
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| Damit ich’s versteh, fegt er mit einem Wisch
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| Mir meinen vollen Krug Bier vom Tisch
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| Mit den Worten: «Auf geht’s, mein Freund, über den Styx
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| Noch vorm Morgengrauen wird übergesetzt
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| Und schimpfen und fluchen, das hilft Dir jetzt nix!»
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| Ich sagte: «Herr Charon, noch nicht jetzt
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| Rationell ist das nicht, wenn Sie nur für mich fahren!»
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| (Ich bestell mir 'nen Halben und für Charon nen Klaren)
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| «Kommn Sie lieber nochmal in zwei bis drei Jahren
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| Bis dann machen die Großen 'nen neuen Krieg
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| Dass die Opfer vom letzten nicht vergebens waren
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| Und dann wird Ihr Kahn so voll, dass er sich biegt!»
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| So gelingt es mir, Charon selbst einzusalben
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| Er geht, ich bestelle mir noch einen Halben
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| In meiner Kneipenphilosophie
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| Geigt mir ein Geiger unentwegt
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| In meinem Mittelohr-Jalousie
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| So schaurig, dass mir meine Brille beschlägt
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| Und dann geigt er in der Eustach’schen Röhre
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| Und wenn ich ihn dann ganz deutlich höre
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| Dann fühle ich mich wie neugeboren
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| Und alles verfliegt, was mich vorher gequält
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| Denn ich schließe: Noch ist ja nicht alles verloren
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| Solange der Geiger geigt und noch nicht zählt
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| Durchs Kneipenfenster dämmert ein neuer Morgen
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| Und der Wirt wird mir wohl noch 'nen Halben borgen
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| Vor mir auf dem Tisch ein Krug voller Bier
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| Eine weiße Mütze von Schaum darauf
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| So hab ich es gerne, so sitz ich oft hier
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| Und räume in meinen Gedanken auf |