Die Türglocke schlug an in Oma Däwes' Kaufmannsladen,
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«Wir sammeln für's Müttergenesungswerk», log ich sie an,
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«Sie ha’m doch sicher jede Menge Altpapier im Keller,
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Kartons, die ich für Sie zur Sammelstelle bringen kann.»
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Und Oma Däwes schlurfte los, ließ mich allein vorm Tresen
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Mit diesen großen Gläsern bis zum Rand voller Bonbons:
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Die roten Himbeer’n, die grünen Maiblätter und die Nappos.
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Im Keller, kramte Oma Däwes nach alten Kartons.
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Da waren die Lakritzschnecken, die sauren Brausewürfel,
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Ich griff ins erste Glas, das von Salinos überquoll,
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Nur einmal naschen, doch dann war’s, als wär ein Damm gebrochen,
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Und gierig stopf' ich mir den Mund und meine Taschen voll.
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Dann hörte ich sie laut keuchend die Treppe heraufsteigen,
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Sie hielt Stapel von Zeitungen geschnürt für mich parat,
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Und obendrauf legte sie mir drei von diesen Storck-Riesen,
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«Na komm, mein Junge, nimm schon, die sind für die gute Tat!»
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Hörst du, wie die Gläser klingen,
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Hörst du, wie die Saiten schwingen,
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Hörst Du, wie die Stimmen singen,
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Hörst du diese Tür aufspringen?
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Und hörst du nicht,
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Wie das Eis bricht?
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Ich denke, mit dem Lebenslicht waren es 14 Kerzen,
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Die auf dem Kuchen brannten, als ich in die Stube sah:
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«Das Totenschiff"von Traven, ein Paar Fäustlinge von Mutter,
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das grüne Rennrad mit der 6-Gangschaltung standen da!
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Alles was ich mir wünschte, welch ein Tag, ach, welch ein Morgen!
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So voller Vorfreude bin ich in die Schule gehetzt,
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Ein Johlen in der Klasse, denn um mich mal vorzuführen,
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Hatte die Klassenschöne sich in Deutsch zu mir gesetzt.
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Aber ich war kein Draufgänger, kein Mann für eine Stunde,
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Und alle wussten, mein Herz gehört Bärbel Heidemann,
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Zwei, drei begannen mich zu mobben und nachmittags riefen
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Sie einer nach dem andern, um mir abzusagen, an.
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Der Tisch so schön gedeckt, Luftballons, traurige Girlanden,
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Die Kaffeetassen und die Kuchenteller blieben leer,
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Ich saß vor meinem Lebenslicht und 13 kalten Kerzen
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Und auch das grüne Rennrad, das tröstete mich nicht mehr.
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Hörst du, wie die Gläser klingen,
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Hörst du, wie die Saiten schwingen,
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Hörst Du, wie die Stimmen singen,
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Hörst du diese Tür aufspringen?
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Und hörst du nicht,
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Wie das Eis bricht?
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Da war unsre Musik, gedämpftes Licht, und Erdbeerbowle,
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Für eine Nacht gehörte uns das ganze große Haus,
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Wir tanzten barfuß um die Pärchen in den Cocktailsesseln,
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Vor der verspiegelten Hausbar, Bernds Eltern waren aus.
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Und Bernd war nochmal losgefahr’n, um Rosi abzuholen,
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Wir tobten zu «She loves you"und wir sangen mit im Chor,
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Als plötzlich jemand Licht anmachte, die Musik verstummte,
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Im Regen standen da zwei Polizisten vor dem Tor:
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«Auf regennasser Straße von der Fahrbahn abgekommen»,
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Hieß es. |
Erstarrt blieben wir im Blaulichtgewitter stehn,
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Manche war’n stumm, manche schrien auf und manche konnten weinen,
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Ein Bild wie dies hatte keiner von uns zuvor gesehn.
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Wir trafen uns noch manchmal dort mit Kerzen und mit Blumen,
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Und heute noch erinnert mich ein Kreuz am Straßenrand.
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Ich wünschte mir so sehr, die Musik würde niemals enden,
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Und Bernd und Rosi hielten sich noch einmal bei der Hand.
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Hörst du, wie die Gläser klingen,
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Hörst du, wie die Saiten schwingen,
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Hörst Du, wie die Stimmen singen,
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Hörst du diese Tür aufspringen?
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Und hörst du nicht,
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Wie das Eis bricht?
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Es ist manchmal, als surrte vor mir der alte Projektor,
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Als spulte ich den Super-acht-Film noch einmal zurück.
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Ich seh das lang Vergangene wie die Gegenwart aufleuchten,
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Doch ich kenne die Zukunft schon und das Ende vom Stück.
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Ich seh das Lachen und spür noch einmal den Schmerz aufflammen,
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Ich weiß, dass all den Träumen auch ein Albtraum folgen muss.
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Und klamm’re mich doch unbeirrbar an den Kinderglauben:
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Gleich was auch immer kommen mag, das Beste kommt zum Schluss!
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Hörst du, wie die Gläser klingen,
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Hörst du, wie die Saiten schwingen,
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Hörst Du, wie die Stimmen singen,
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Die verschlossne Tür aufspringen?
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Und hörst du nicht,
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Wie mein Herz bricht? |