Eine Zuruecknahme der Schoepfungseschichte in sieben Tagen)
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Er hatte einen Brief verfasst
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Der lautete wie folgt:
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«Hier ist mein Ultimatum an die Welt
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Wenn binnen sieben Tagen nicht
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Wer kommt, um mich zu sehn
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Dann zahle ich das letzte Loesegeld
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Ich habe mich verproviantiert
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Fuer eine Woche knapp
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Die Tuer verschlossen und geh nirgends hin
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Ich bin kein Philosoph, und doch:
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Ich fuehre den Beweis
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Seid sicher, dass ich nicht umnachtet bin.»
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So sehn wir ihn am zweiten Tag:
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Die Tuer ist unberuehrt
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Er waescht sich, macht sich Fruehstueck, ganz normal
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Dann weiss er nicht genau, wohin
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Mit sich und seiner Zeit
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Hoert Radio, durchblaettert ein Journal
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Es wird auch Mittag, irgendwie
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Der Rundfunk hat’s bezeugt
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Er geht zum Herd und braet sich ein Kotelett
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Dann greift er sich Immanuel Kant
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Sieht fern bis null Uhr zehn
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Schlaeft ein in seinem ungemachten Bett
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So sehn wir ihn am dritten Tag:
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Um elf klopft jemand an!
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Er hat verschlafen, schiesst jetzt hellwach auf!
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Der draussen mumelt so etwas wie
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«…habe mich geirrt…»
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Und steigt dann in den naechsten Stock hinauf
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Es braucht nun eine ganze Zeit
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Bis dass er das verdaut
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Und was sich auch kocht, es schmeckt ihm nicht
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Er merkt an sich, wieviel er trinkt
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Und dass des nachts was saust
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Und dass er mit sich Selbstgespräche spricht
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So sehn wir ihn am vierten Tag:
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Ein Stockwerk unter ihm
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Wurd' scheinbar heute frueh ein Kind gebor’n
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Da kraeht es und da poltert es
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Der Mutterkuchen dampft
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Und er hat einen Hosenknopf verlor’n
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Und als der Tag zur Neige geht:
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Ein Stockwerk ueber ihm
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Ist eine alte Frau mit Sterben dran
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Ihm kommt es vor, als saesse er
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Im Fahrstuhl, zweiter Stock
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Der haelt am siebten Tag dort oben an
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So sehn wir ihn am fuenften Tag:
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Das Fernsehn ist kaputt
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Ein truebes Fruehstueck ohne Fruehprogramm
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Er stellt sich vor den Spiegel, bleibt
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Dort lange Stunden sthen
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Und merkt dann, dass er kaum noch sprechen kann
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Er greift zum Buch, es faellt ihm hin
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Er greift es sich erneut
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Zum Lesen sind die Augen viel zu wund
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Ein schwarzer Vogel fliegt vors Fenster-
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Glas mit voller Wucht
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Er schaut hinaus ins rote Abendrund
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So sehn wir ihn am sechsten Tag:
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Er fiebert und ist matt
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Beim blossen Liegen tut er sich schon weh
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Er hoert kaum noch im Treppenhaus
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Das grosse Auf und Ab
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Gleich nebenan steigt heut ein Balle Paree
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Er merkt nicht, wann es dunkel wird
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Er schaut nicht mehr hinaus
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Seit Ewigkeiten liegt er steinern still
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Des nachts erbricht er sich, als grad
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Ein Heisssporn nebenan
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Ein Maedchen zu sich nieder reden will
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So sehn wir ihn am siebten Tag:
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Er ist noch einmal frisch
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Er oeffnet die Gardinen, beugt die Knie
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Er fruehstuckt in Ausfuehrlichkeit
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Raeumt alles sauber weg
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Er pfeift sich seine Lieblingsmelodie
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Dann reckt er sich, dann denkt er sich
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«jetzt wird es aber Zeit»
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Er nimmt ein Papier, schreibt «q.e.d.» |
darauf
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Er holt sich einen starken Stuhl
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Und einen starken Strick
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Und haengt sich ohne Augenschliessen auf
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Joachim Luhrmann: Perkussion
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Joshi Kapple: Bassgitarre
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Hendrik Schaper: E-Piano
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Mick Franke: Akustische Gitarre
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HRK: Gesang, Akustische Gitarren, E-Gitarre |