| Irgendwie wirkt er wie 30 Jahre älter
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| Denk' ich, als ich ihm helfe mit alten Büchern im Keller
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| Ich sag: Ich les' gerade was von Transhumanisten
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| Die woll’n erreichen Alter als 'ne Krankheit zu listen
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| Es fällt schon auf, wie viel er in der letzten Zeit gähnt
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| Er atmet ruhig, als er in seinem Sessel einschläft
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| Ich denk', er ist so viel kleiner als früher
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| Seine Haut ist aus weißem Papier
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| Ich wollte doch noch nach Krani mit ihm
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| Ich glaube, jetzt bleiben wir hier
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| Er hat es schon 'ne Weile geahnt und keinem gesagt
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| Mitten in dem Chaos meines Tages erreicht mich die Nachricht
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| Nach falschen Diagnosen von alt bis Depressionen
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| Kommen die Ärzte zu dem Schluss: Alles ist verlor’n
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| Unheilbar, die sagen unheilbar
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| Wenn es hochkommt dann hat er noch rund ein Jahr
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| Auf dem Weg in die Klinik passiert es um ein Haar
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| Und plötzlich ist ein Fragezeichen wo der Grundstein war
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| Palliativ, sie sagen palliativ
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| Was ist seine Perspektive, wenn er alles verliert?
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| Scheiß Wetter in Berlin, es ist kalt, es ist mies
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| Ich hab' Kopf für gar nichts, nicht mal mehr Musik
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| Flug 1708, Tegel nach Stuttgart
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| Mein Herz ist Sperrgepäck, wie viel ist die Nutzlast?
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| Ihn pflegen zu können macht es erträglicher
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| Oh, mein Vater, mein ukrainischer-schwäbischer
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| Sein altes Russland, adeliges Blut
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| Er kam mit nichts und machte es uns gut
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| Doch diese scheiß Krankheit macht kein Halt vor Helden
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| Ich kann da sein, doch ich kann ihm nicht mehr helfen und
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| Seine Stimme versagt, wenn er redet
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| Und neben dem Bett steht ein Atemgerät, das er Tag und Nacht trägt
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| Ich weiß, er will sterben, sobald es nur geht
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| Ich hasse mich dafür, will es auch, wenn ich ihn da liegen seh'
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| Heute liege ich in seiner Nähe und kann nich' schlafen
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| Nur aus Angst dadurch verpasse ich seinen letzten Atemzug
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| Ich les' die Nacht durch ein Buch über Sterbephasen und such'
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| Ein weißes Dreieck unter seiner Nase
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| Mein schwarzer Kaffee auf dem Fensterbrett
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| Morgensonne scheint auf das Sterbebett
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| Seine Atemzüge sind die Kommunikation
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| Ich sitz' neben ihm und höre stumm auf jeden Ton
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| Er ist irgendwo zwischen Schlaf und wach
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| Zwischen Leben und Tod, zwischen Tag und Nacht
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| Und andauernd nick' ich ein als ich so da sitz'
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| Als ob ich ihn dort treffen will, wo er gerade ist
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| Friedliche Ruhe, draußen wird es warm jetzt
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| Der Tod kommt nicht traurig, nur pragmatisch
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| Jetzt gerade stirbt mein Vater
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| Ich höre, wie er ausatmet
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| Als ob er 'nen schweren Satz gesagt hätte
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| Dann gar nichts
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| Ich renne zum Bad hinüber
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| Hole Mama, zwei letzte Atemzüge
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| Wir halten seine Hände fest
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| Und spüren, das ist das Ende jetzt
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| Ich sag: Danke für alles, Papa
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| Danke, dass du da warst
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| Du warst mir ein wunderbarer Vater
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| Ich laufe durch die Gegend und wein'
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| Spätsommer, Tränen, Sonne und Regen zugleich
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| Ja, ich weiß, es ist besser für ihn, wie es jetzt ist
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| Doch es tut so weh, dass er für immer weg ist
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| Sie bringen ihn nochmal ins Zimmer mit seinem Namen
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| Drinnen ist es karge, Stille und der Sarg
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| Ich sitze die Zeit tot, bis sie dort ist wo er ist
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| Fromme Worte füllen keinen Platz, der leer ist
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| Doch mit der Zeit findet all das seinen Platz
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| An dem ich regelmäßig halt mach', wenn es passt
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| Hier steh' ich jetzt und bin dankbar, unendlich dankbar
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| Für die Zeit, die wir zusammen war’n
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| Für bedingungslose Liebe
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| Auch wenn ich sie nich' immer so verdiente
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| Dankbar für alles was er war und noch ist
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| Mein Vater und ich |